Elmar unterwegs - Autor: Elmar

Es ist Samstag
Mein Velo-Kollege holt mich um 12:30 Uhr ab. Wir fahren nach Andermatt: «Alpenbrevet – Tremola by Night» steht auf unserem Plan. Inspiriert von den Passauffahrten am frühen Morgen bei den Alpenbrevets. Der Tatzelwurm der rot-weissen Lichter in der Nacht wird uns begleiten, wenn wir die Tremola by Night erleben.
Der übliche Samstagstau rund um Luzern lässt sich leider nicht vermeiden - trotzdem kommen wir gut voran.
Zwischen Wassen und Göschenen überholen wir einige Chasing Cancellara-Teilnehmer. Ein Eintagesevent von Zürich nach Andermatt– 194 km / 4200 hm. Die Fahrer sind müde und leiden offensichtlich. Aber noch steht die herausfordernde Schöllenenschlucht bevor. Wir kurbeln die Fenster runter und feuern sie an, versuchen noch etwas zu motivieren – wir sind jedoch nicht sicher, ob diese auch ankommt, wenn wir in die Gesichter der Teilnehmenden blicken.
Wir erreichen Andermatt, parken an der Reuss, laden unsere Gravelräder aus. Zum Einfahren steht ein Besuch der Vermigelhütte auf dem Plan.


andermatt - vermigelhütte
Ein kurzer Besuch im Zielgelände des Chasing Cancellara Events, gefolgt von einem kurzen Schwatz mit einigen bekannten Gesichtern.
Los geht es durch Andermatt, hinein in die ersten Kehren der Oberalppassstrasse, dann rechts weg, ab auf unseren geliebten Schotter. Gut 10 km erwarten uns mit etwa 600 hm: steile Rampen, durchdrehende Hinterräder, danach flachere Abschnitte und wieder steile Rampen. Es folgen interessante Diskussionen über die Übersetzung der Gänge am Fahrrad und wunderschöne Blicke in die Bergwelt.
In der Vermigelhütte stärken wir uns mit Kaffee, Cola und Linzertorte. Dann beginnt die rasante Abfahrt zurück nach Andermatt.
Wir laden unsere Räder ein, ziehen uns um und suchen eine passende Lokation für das Abendessen. Mit Pizza und Pasta im Restaurant Spycher mitten im Dorf füllen wir unsere Speicher wieder auf. Doch der Regen kündigt sich an und wird stärker. Wir studieren unsere Wetter-Apps und überlegen uns Varianten um einen Plan B für heute Abend und fragen uns: findet der Event überhaupt statt?


Entscheidung getroffen - wir sind dabei !!
Wir haben entschieden, wir wollen dabei sein. Also fahren wir auf den Gotthardpass.
In Andermatt noch richtig nass, trocknet es auf der Fahrt zum Gotthard ab. Es ist deutlich frischer geworden. Von den gut 25 Grad in Andermatt sind 15 Grad auf dem Pass übriggeblieben. Die neue Lagebeurteilung zeigt, dass zwar eine Wetterfront auf uns zukommt, wir aber noch etwas Zeit haben.
Wir ziehen uns um, die passenden Velokleider, Gilet und Regenjacke. Unsere Gravelräder bekommen Lichter spendiert, Bidons mit stärkenden Getränken – und los geht’s. Alles sitzt, nichts liegt herum – wir sind parat.
Wir rollen entlang der normalen Passstrasse runter zur Kaserne Motto Bartola. Mit jedem Kilometer wird es gefühlt etwas wärmer – das ist genau unser Plan. Trocken am Start ankommen, wenn wir dann beim Hochfahren nass werden, ist es halb so wild.
In Airolo angekommen, checken wir ein und holen die Startnummern. Es folgen lockere Unterhaltungen mit den Mitfahrenden; Geschichten, Anekdoten und kleine Tipps zu Strecken, Reifen- und Räderwahl. Die Stimmung ist fröhlich und gelöst, die Vorfreude steigt.
Doch die Wolken ziehen zunehmend dichter, das Gewitter rollt bedrohlich heran. Ein mächtiges Grollen nähert sich dem Horizont, der Himmel zieht sich zu einer dunklen Decke zusammen. Nach kurzer Zeit setzt der Regen ein und taucht die Landschaft in ein dunkles, fast schwarzes Grau. Der starke Regen durchnässt in kürzester Zeit alle, die draussen stehen.
Wir stehen regen- und windgeschützt unter einem Hauseingang, dicht gedrängt mit etwa 12 Mitfahrenden. Wir prüfen immer wieder die Wetter-Apps, diskutieren die aktuellen Veränderungen und halten die Gruppe auf dem Laufenden.
Manche diskutieren über Abbruch, andere über einen Plan B mit ÖV via Airolo oder eine Abholung durch Freunde in der Nähe. Für uns ist das primär keine Option – unser Auto steht ja auf dem Gotthardpass.
20.45 Uhr – das Briefing ist kurz und nüchtern: Die Wettersituation ist prekär und heikel. Die Organisation überlässt allen Teilnehmenden selber die Entscheidung, ob sie starten wollen. Eine generelle Vorgabe fehlt, und jede/r muss eigenverantwortlich abwägen.
Wir entscheiden zu warten – das Risiko ist zu gross, der Einsatz zu hoch. Es ist nicht der Moment, um unvernünftig zu sein.


es geht los - einige rollen, wir noch nicht
21 Uhr – tatsächlich rollen etwa die Hälfte der Teilnehmenden los, mitten im Sturm. Der Wind kommt direkt von vorn und peitscht den Regen ins Gesicht. Wir bleiben an Ort, beobachten weiter, und hoffen auf eine Wetterbesserung, welche eine sichere Entscheidung zulässt.
21:15 Uhr. Die Sturmzelle zieht weiter nach Westen. Wir checken nochmals das Wetter und entscheiden schliesslich, auch loszufahren. Die ersten Meter sind nass und kühl, es nieselt noch leicht. Nach einem Kilometer ziehen wir die Regenjacken aus, der Boden trocknet schnell ab, und wir finden unseren Rhythmus - Tritt für Tritt – Meter für Meter. Wir fahren konzentriert, in unserem Lichtkegel. Das ist für uns nichts Neues – wir sind alte Hasen vom Winterbiken.
Und wir merken: unsere Gravelräder sind eine gute Entscheidung: sicher auf verschiedenem Untergrund und Nässe – komfortabel auf Kopfsteinpflaster.
Die mystische Stimmung begleitet uns, der Pulk des rot-weissen Tatzelwurms ist eine Viertelstunde vor uns, dennoch holen wir auf und überholen Fahrer um Fahrer. Immer wieder ein Erlebnis – die Tremola. Kehre um Kehre – nicht steil, aber holprig. Gebaut zwischen 1827 und 1830 um den Postkutschenverkehr sicherzustellen - und heute Abend für unseren Weg nach oben.
Letzte Meter – wir geben nochmals Gas. Wir sind oben angekommen. Eine fröhliche, zufriedene Community wartet auf uns. Wir lachen uns gegenseitig an, geschafft.
Während der Auffahrt haben wir uns eine klare Strategie zurechtgelegt, um nicht auszukühlen: direkt zum Auto, verschwitzte Sachen aus – trockene und warme Sachen an. Danach weiter zum Alpenbrevet-Verpflegungsstand.
Dort erwarten uns Bouillon, Kaffee, Wasser, Cola, Kuchen, Biberli, Nüsse, Schleckzeugs und vieles mehr. Wir stärken uns ausgiebig, sammeln Kräfte, tauschen kurze Worte mit anderen Teilnehmern aus.


es geht heimwärts
Räder verladen, Auto reisefertig machen – abfahrtbereit steigen wir ein und rollen los.
Die Nachtfahrt bringt uns runter nach Andermatt, der Motor schnurrt leise, das feuchte Asphaltband glitzert im Scheinwerferlicht. Weiter geht es via Schöllenenschlucht nach Göschenen. Viel Ferienverkehr aus dem Gotthardtunnel, wir fädeln uns auf die Autobahn ein und fahren heimwärts.
Nochmals etwas Action: ein heftiges Gewitter zieht nach dem Seelisbergtunnel auf. Blitze zucken über die Wolkendecke, der Himmel öffnet sich, Regen trommelt laut gegen die Scheiben, die Scheibenwischer geben alles.
Es ist 23:50 Uhr – ein glückliches, müdes Ankommen in Oberkirch nach einer langen, intensiven Fahrt auf dem Fahrrad und mit dem Auto - eine kurze Verabschiedung und die besten Wünsche für eine gute Nacht.
Fazit eines langes Tages
Einmal mehr – wir waren dabei !! – es war super !!
An der erstmaligen Ausgabe von «Tremola by Night» by Alpenbrevet.
Nicht ganz nach unseren Vorstellungen was das Wetter angeht, trotzdem ein Erlebnis, welches uns noch lange in Erinnerung bleiben wird, weil es eben trotzdem speziell und einmalig war - auf seine Art.
Inspirationen und Informationen
Andermatt als idealer Ausgangsort.
Der Gotthardpass inklusive eindrücklicher Tremola.
Der Event "Tremola by Night" by Alpenbrevet.
Daten zum Weg
Start: Airolo, Motto Bartola / Ziel: Gotthardpass via Tremola / Distanz: 7,5 km / Aufstieg: 600 hm
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Kommentare
Immer wieder eine neue Herausforderung angehen. Etwas Einmaliges erleben - überlegen - abwarten und dann losfahren. Selbst bestimmen und glücklich ankommen. Wir freuen uns mit dir, dass du diesen Event miterleben konntest 👍🏻👏🏻 auch wenn die Bedingungen nicht die Besten waren.
Neiiiiii wir haben schon keine Luft mehr beim lesen....
Du und Karin ihr Zwei seid menschliche Maschinen....
Sooooooo cooooooole Berichte....