Via Jacobi 🥾 Herisau - St. Peterzell

Veröffentlicht am 14. Juni 2025 um 18:00

Früher Aufbruch

Um 4.30 Uhr geht der Wecker – doch wir sind schon wach. Wir öffnen die Fenster. Die Luft ist frisch, noch feucht vom kurzen Gewitter.

Ein leiser Duft von Erde und Sommer steigt mir in die Nase. Die Vögel sind längst da – zwitschernd, lebendig, wie ein leiser Willkommensgruss.

Alles liegt bereit – sorgfältig gestern Abend hingelegt. Der Rucksack, die Schuhe, die Gedanken. Bereit für den Tag, der auf mich wartet.

Heute soll es heiss werden. Darum der frühe Aufbruch – um 8 Uhr will ich auf dem Weg sein. Zurück an dem Ort, wo ich das letzte Mal stehen geblieben bin: Herisau.

Der Zug fährt um 05.24 Uhr. Wir fahren gemeinsam los, Elmar und ich. Er steigt in Zürich aus – Arbeit ruft. Ich fahre weiter. In den Tag. In den Weg.

Die Hitze wird heute mein Begleiter sein. Nicht mein liebster, aber ich nehme ihn mit. Denn wenn mein Herz Ja sagt, dann geht mein Körper einfach los.

Ich bin gespannt, was mir heute begegnet. Welche Gedanken kommen, welche Stille bleibt. Und wie weit ich gehen werde – Schritt für Schritt. Solange es leicht ist. Solange es mich trägt.


Wieder unterwegs

Gleicher Ort, fünf Tage später. Der Bahnhof in Herisau liegt noch ruhig da. Nur vereinzelt Menschen, ein leiser Wind und diese besondere Stille, die den frühen Morgen begleitet.

Die Luft ist angenehm - nicht kühl, nicht heiss, einfach genau richtig.

Ich schultere den Rucksack und folge den vertrauten Schritten vom Bahnhof hin zum Wegweiser: Via Jacobi.

Heute beginnt der Weg in Herisau. Und irgendwo hinter Hügeln und Stunden liegt offen – mein Ziel für heute.

Ich freue mich. Wieder Schritt für Schritt, wie schon so oft.


Ein leiser Anfang – und erste Hitze

Okay, ich geb’s zu: Keine zwanzig Minuten unterwegs, und es ist schon… sagen wir: sehr warm. Noch ist es nicht heiss – ich brauche ja noch Worte für später. Denn es wird heute bestimmt noch wärmer, heisser.

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Weg heute wirklich gehen will. Ich wusste: Nicht viel Wald. Viel Sonne. Und Sonne und Hitze – das sind nicht meine Elemente.

Ich habe gezögert. Hin - und hergedacht. Vorgespult im Kopf. Aber dieser Weg – er war längst beschlossen. Im Herz. Im Bauch. In mir. Er musste heute beginnen. In Herisau. Genau dort. Genau jetzt. Es ging nicht anders.

Ich habe mich vorbereitet. Ich weiss, wo ich ausweichen kann. Wo es Schatten gibt, Wasser, eine kühle Pause. Ich kenne die Abzweigungen, die Abkürzungen, die Orte zum Ausruhen oder Aufhören.

Ich gehe diesen Weg bewusst. Ich darf mir erlauben, anders zu gehen. Langsamer. Kürzer.


Hoch und wieder hinunter

Heute scheint mein Weg nur eine Richtung zu kennen: bergauf. Immer wenn ich an einen Wegweiser komme, hoffe ich auf ein Geradeaus oder ein sanftes Tal. Doch der Pfeil zeigt nach oben – immer wieder.

Ich seufze leise, nehme einen Schluck Wasser und gehe. Stille Höhenmeter, im Aussen wie im Innen. Aber ich gehe weiter. Schritt für Schritt. Mit der Ahnung: Es wird sich lohnen.

Und dann – kaum gedacht, wird mein Wunsch erhört. Der Weg biegt ab und führt mich hinein in einen kühlen Wald. Vögel begleiten mich mit ihrem Lied, Kuhglocken klingen von fern. Ein Reh tritt aus dem Dickicht auf den Pfad, bleibt stehen, schaut mich an. Ein stiller Moment. Wie ein Gruss vom Leben.

Dann geht es abwärts. Sanft. Leicht. Die Luft ist kühl, das Licht tanzt durch das Blätterdach. Ich atme auf. Und gehe weiter.


Zwischenziel

Nach zweieinhalb Stunden erreiche ich Risi. Ein erster Meilenstein – und ein möglicher Schlusspunkt.

Von hier aus könnte ich heimwärts fahren. Aber es ist noch nicht einmal Mittag. Ich bin erhitzt, ja – aber nicht erschöpft. In mir ist noch Kraft. Noch ein Weiter. Noch ein paar Schritte. Sankt Peterzell liegt rund zwei Stunden entfernt. Ein nächstes Ziel. Ein nächstes Stück Weg.

Ich setze mich. Esse die erste Hälfte meines Sandwiches, geniesse den kurzen Moment des Stillstands. Neben mir ein Brunnen – wunderbar kühl. Ich tauche meine Arme ein. Lasse das kalte Wasser fliessen, spüre, wie die Hitze langsam weicht. Ein kleiner Luxus auf dem Weg.

Dann geht es weiter. Ich ziehe den Rucksack fester, und sage leise zu mir selbst: Dann marschieren wir eben weiter. Schritt für Schritt. Wie immer. Wie neu.


Hitze, Schatten, Glück

Die letzte Strecke führt mich über sonnige Naturwege. Kein Wald mehr, kein kühlendes Blätterdach – nur offener Himmel und der warme Atem des Tages.

Dann, ganz unerwartet: ein kurzes Stück Asphalt. Und genau dort, eine kleine Ausfahrt im Schatten. Ein Platz wie für mich gemacht. Ich lege mich hin, spüre die kühle Fläche unter meinem Rücken, lasse die Hitze langsam aus mir herausziehen. Ein kostbarer Moment – still, einfach, herrlich.

Mein Wasservorrat ist aufgebraucht. Doch nur ein paar Schritte weiter, fast wie bestellt: ein Restaurant. Die kleinere Flasche füllt sich mit Cola, die grössere mit frischem Mineral. Ich atme auf. Ein kurzes Innehalten und Geniessen.

Dann geht es weiter – zurück auf Naturwegen, die Sonne immer noch mein Begleiter. Aber ich weiss: Es ist nicht mehr weit. Ich habe Zeit. Ich komme an, wenn ich ankomme.


Am Ziel und doch noch nicht ganz angekommen

Ich bin in St. Peterzell – und doch noch nicht ganz da. Die Sonne brennt weiter, die Luft steht still, und auch in mir: noch keine Ruhe. Alles fühlt sich noch erhitzt an. Der Körper, die Gedanken, die Eindrücke des Tages.

Ich sitze da, warte auf den Bus, der mich weiterführt. Vielleicht braucht es noch etwas Zeit. Ein bisschen Fahrtwind, ein stilles Fenster im Zug, ein Glas Wasser und ein tiefer Atemzug.

Manchmal kommt das Ankommen erst später. Leise. Und ganz für sich.


Still ankommen

Der Bus rüttelt mich sanft, der Zug wiegt mich weiter. Ich trinke Wasser, lasse den Tag langsam los. Es war heiss, anstrengend und trotzdem gut.

Während ich so in Gedanken bei meinem vergangenen Tag bin, kommt der Service vorbei. Ein Korb voller Kleinigkeiten – und mittendrin: meine geliebten Paprika-Zweifel-Chips.

Ich greife zu und spüre: Jetzt bin ich ganz angekommen. Ich sitze allein in der Ruhezone, der ganze Wagen gehört mir. Kein Laut, kein Müssen – nur der Zug, die Chips und ein leises Lächeln.

Manchmal braucht es nur wenig - und die Welt ist einfach in Ordnung.

Und in mir kribbelt es leise – die nächste Etappe ist schon da, zumindest in Gedanken. Der Weg geht weiter. Irgendwann. Wenn es wieder passt.


Inspirationen und Informationen 

Inspirieren für den Weg lasse ich mich vom Buch: Via Jacobi.

Weitere Informationen zum Weg hole ich mir aus den Websiten:  SchweizMobil Via Jocobi Route 4 oder Schweizer Freunde des Jakobsweg. 

Daten zum Weg

Start: Herisau / Ziel: St. Peterzell / Distanz: 15.5 km / Aufstieg: 560 hm / Abstieg: 600 hm