
einfach gehen - Zwei Tage auf dem Jakobsweg
Ich wandere – wieder auf dem Jakobsweg, via Jakobi in der Schweiz. Doch diesmal ist etwas anders. Zwei Dinge sogar. Zum ersten Mal mache ich einen Zweitäger: Ich übernachte unterwegs. Und zum ersten Mal bin ich nicht allein unterwegs, sondern zu zweit – mit einer lieben Freundin.
Beides ist neu. Und ich bin gespannt: Was wird uns begegnen? Was darf ich erleben, erfahren, mitnehmen?
Am Bahnhof spüre ich schon das Kribbeln. Wieder aufbrechen. Wieder einsteigen – in den Jakobsweg. Ein Stück reisen, ankommen – und dann einfach laufen. Nichts anderes. Kein Ziel, kein Müssen. Nur gehen. Schritt für Schritt. Ankommen im Jetzt.

Raus aus der Stadt, rein ins Gehen
In Rorschach steigen wir aus dem Zug – und da ist er: der See. Silbern, still, weit. Diese Weite atmet etwas in uns auf.
Wir laufen los. Am Ufer entlang, vorbei am Hafen, durch das ruhige Morgenlicht. Dann hinein ins Quartier, ein paar Strassen, ein paar Ecken – und plötzlich sind wir draussen. Raus aus der Stadt, rein in die Natur.
Die Wege werden weicher. Grün breitet sich aus. Wiesen, sanfte Hügel, Wälder. Wir kommen ins Gehen, ins Erzählen. Manchmal reden wir, manchmal schweigen wir. Immer wieder begegnen uns Hunde, mal neugierig, mal verspielt.
Wir sind ganz im Moment. Laufen einfach. Schritt für Schritt. Und plötzlich merken wir: Wir sind schon anderthalb Stunden unterwegs. Es fühlt sich nicht so lange an. Kein Drang nach Pause. Nur Leichtigkeit.
Nach etwa 45 weiteren Minuten halten wir an. Eine Wiese, leicht erhöht, direkt am Waldrand. Wir setzen uns hin, breiten unser Picknick aus – und es ist, als würden wir ein Fünf-Sterne-Menü geniessen. Einfach da sein. Mit Blick ins Grüne, Vogelstimmen in der Luft und Ruhe im Körper. Wir geniessen. Ganz.



Kleine Pause, grosses Wohlgefühl
Wir wandern weiter – zuerst bergab, auf kleinen Strassen, über Brücken, durch kleine Weiler. Dann wieder bergauf. Der Puls steigt leicht, die Beine arbeiten – aber alles bleibt im Fluss. Die Landschaft begleitet uns: grün, sanft, offen.
Und dann: die Schützenstube Schaugenbädli. Ein kleines Restaurant, mitten im Grünen. Unerwartet, einfach da – und genau richtig.
Wir setzen uns, bestellen etwas für den Durst. Die Wirtin, das Haus, wir an der Sonne – alles passt irgendwie zusammen. Ein Moment zwischen Unterwegssein und Ankommen. Einfach herrlich.



Ankommen in St. Gallen
Dann geht es weiter bergauf. Der Weg führt uns hinein in wunderbare Wälder – grün, still, lebendig. Alles atmet. Auch wir.
Schon bald zeigen sich erste Häuser – die Vororte von St. Gallen. Und darüber am Himmel: dunkle Wolken. Ein paar Tropfen fallen, aber wir bleiben trocken.
Die Bebauung wird dichter. Wir tauchen ein in die Stadt – und erreichen schliesslich St. Gallen. Ein Abstecher zur Stiftskirche – prachtvoll, bunt, fast zu viel für unsere Sinne. Und doch tut es gut, da zu sein. Unser erster Teil ist geschafft.
Wir machen uns auf den Weg ins Hotel, lassen uns ins Sofa fallen und geniessen: das Sitzen, die Ruhe, die Zufriedenheit. Ein kurzer Besuch im Tibits – etwas Warmes, etwas Leichtes, genau richtig. Und dann lassen wir den Abend einfach ausklingen. Chillen, nichts tun, da sein.



Neuer Tag, neue Stimmung
Nach einer erholsamen Nacht wachen wir ruhig und zufrieden auf. Die Beine spüren das Gehen von gestern, aber nicht schwer – eher lebendig. Da ist gleich wieder diese Lust, weiterzugehen.
Doch erst einmal frühstücken. Gemütlich, ohne Eile, mit Blick auf das, was vor uns liegt. Dann packen wir unsere wenigen Sachen, schultern die Rucksäcke – und machen uns auf den Weg.
Die Stadt liegt ruhig in der klaren Morgenluft. Ein leichter Wind, frische Luft – und die Sonne zeigt sich schon früh. Es fühlt sich an wie ein Versprechen: Das wird ein guter Tag.
Wir machen noch einen kurzen Halt im Coop, besorgen Proviant für unterwegs. Etwas Frisches, etwas Einfaches. Und dann: loslaufen. Wieder Schritt für Schritt, wieder eintauchen ins Gehen. Wir reden, wir lachen, wir schauen – und merken kaum, wie die Zeit vergeht. Schon wieder sind zwei Stunden vergangen.
Die Natur ist heute besonders eindrucksvoll. Viele Wälder, weite Wiesen, grüne Hügel. Das Licht spielt in den Bäumen, alles leuchtet. Es tut gut – für die Augen, für die Lunge, für die Seele.
Heute begegnen wir mehr Menschen. Wandernde, Spaziergängerinnen, Grüppchen, Paare. Gestern war es stiller, einsamer, ruhiger. Heute ist es lebendiger. Und auch das passt. Jeder Tag bringt sein eigenes Bild, seine eigene Stimmung – und wir gehen einfach weiter.



Ein nächster Abschnitt wird kommen - irgendwann
Und dann, ganz plötzlich, liegt Herisau vor uns. Die Stadt taucht zwischen den Hügeln auf – fast wie aus dem Nichts. Es kommt uns vor, als wären wir eben erst gestartet. Der Weg war leicht. Die Zeit ist einfach verflogen.
Wir setzen uns auf eine Bank, oberhalb der Stadt. Einfach nur sitzen. Durchatmen. Die Rucksäcke ablegen, den Blick schweifen lassen. Da ist nichts, das drängt. Nur dieses stille Ankommen. Eine Wohltat. Genügsamkeit breitet sich aus. Zufriedenheit. Frieden. Einfach sein. Ohne etwas zu müssen.
Dann laufen wir gemütlich hinunter zum Bahnhof, holen uns etwas Kühles zum Trinken – und steigen in den Zug. Mittagessen unterwegs. Ruhig, genussvoll, mit Blick auf die vorbeiziehende Landschaft. Wir lehnen uns zurück. Der Körper ruht, die Gedanken fliessen. Wir lassen die Reise noch einmal an uns vorbeiziehen – die ersten Schritte am See, die Hügel, die Wälder, das Lachen, das Schweigen, die Stille, das Licht, das Gehen.
Während der Zug uns heimwärts bringt, schauen wir still aus dem Fenster. Zufrieden. Voller Eindrücke. Der Weg klingt nach – in den Beinen, im Kopf, im Herzen. Und irgendwann kommt der Gedanke: Das war bestimmt nicht das letzte Mal. Noch ist nichts geplant – aber wir wissen: Ein nächster Abschnitt wird kommen. Irgendwann.



Inspirationen und Informationen
Inspirieren für den Weg lasse ich mich vom Buch: Via Jacobi.
Weitere Informationen zum Weg hole ich mir aus den Websiten: SchweizMobil Via Jocobi Route 4 oder Schweizer Freunde des Jakobsweg.
Daten zum Weg
Start: Rorschach / Ziel: St. Gallen / Distanz: 15 km / Aufstieg: 540 hm / Abstieg: 270 hm
Start: St. Gallen / Ziel: Herisau / Distanz: 11 km / Aufstieg: 260 hm / Abstieg: 150 hm